Überholung Q210 Elektromotor Zoe 2013

  • Hallo zusammen,


    ich habe als stiller Leser dieses und andere Foren verfolgt. Vor etwa einem halben Jahr hatte ich die Möglichkeit recht günstig einen Zoe zu ergattern. Dieser machte leichte Lagergeräusche beim Fahren und hatte einige Schönheitsmangel. Da ich selbst aus der Branche der Ladetechnik komme (DC Ladetechnik, 50-1500 kW) war es für mich eine super Gelegenheit sehr kostengünstig ein E-Auto zu ergattern.


    Als Hobby restauriere ich Motorräder und Oldtimer (Land Rover), daher ist eine gut ausgestattete Werkstatt vorhanden.


    Nun mein Bericht zur Instandsetzung des flüssigkeitgekühlten Q210 Motors:


    • Baujahr: 2013
    • Zoe erste Generation 43 kW, 155.000km
    • Wenig Autobahnfahrten, daher vermutlich bisher keine Probleme (niedrige Motordrehzahl)

    Teil 1 der Reparatur: Freischalten


    Man muss die 12V Batterie und den HV Trenner entfernen. Hierfür sollte das Fahrzeug eingeschlafen sein. Dafür habe ich die vorderen Scheiben herabgelassen. Als ich dann an den HV Trenner wollte und die Beifahrertür von Innen öffnete, wachte das Auto wieder auf. Also habe ich beim nächsten Versuch mit Hilfe eines Schraubendrehers die Lasche im Türschloss geschlossen und dem Zoe somit geschlossene Türen vorgegaukelt und abgeschlossen. So konnte ich den HV Trenner im Beifahrer Fußraum entfernen, ohne, dass das Auto wieder aufwacht. Anschließend baute ich die 12V Batterie aus. So war erstmal alles "tot" = spannungsfrei.



    Teil 2 der Reparatur: Platz schaffen


    • Entfernen der Abdeckung an den Scheibenwischern. Hier braucht man Platz um an die hinteren Stecker des Inverters zu kommen
    • Optional: Entfernen der Stoßstange (da ich auch den Aggregateträger tausche wegen sehr starkem Rost, war es einfacher diesen auch zu entfernen).
      • Hierzu müssen die Innenradkästen (einige Plastik-Clipse) sowie 2x 10er Schrauben in Richtung Kotflügel entfernt werden

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    Bei mir kam hierbei einiges an Dreck zutage, welcher vermutlich auch Schuld für Wasser im Innenraum war. Hinter den Innenkotflügel stand jeweils eine Kehrschaufel voll Dreck.....


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    Auf den folgenden Bildern ist zu sehen, dass ich die fast die gesamte Vorderachse zerlege. Für den Motorausbau müssen nur die Gelenkwellen aus dem Getriebe gezogen werden. Man müsste also nicht die gesamte Bremsanlage etc. ausbauen. Da ich die Bremse, Radlager, ein Antriebswellengelenk und ein paar andere Teile ersetze, habe ich direkt alles zerlegt.


    Nun sollte man den Kühlkreislauf entleeren. Hierfür kann man die Kühlleitungen unten rechts am Motor (in Fahrtrichtung) entfernen. Dann läuft nahezu der gesamte Kreislauf leer.

    In diesem Zuge lassen sich gleich die beiden Kommunikationsstecker entfernen (der Schwarze ist für den HV Interlock + Temperatursensor PT10.000 Ohm an der Wicklung, der Orangene für die Erregung des Rotors über 2 Schleifringe).


    Die eine Schraube verbindet den Träger des Klimakompressors mit dem Zwischenrahmen und dem Motor.


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    Als nächstes entfernt man am Inverter alle HV-Kabel sowie Massekabel. DIe Stecker haben alle eine doppelte Verriegelung, die mehr oder weniger einfach zu öffnen ist. Der grün umkreiste Stecker ist ein "Blindstecker" und braucht nicht ausgebaut zu werden. Vorne unten versteckt sich noch ein Massekabel. Anschließend kann man alle Verschraubungen lösen und den Inverter vollständig entnehmen. In Richtung Kühlermaske befinden sich erneut 2 Kühlschläuche, da auch der Inverter flüssigkeitsgekühlt ist.


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    Dieser Schritt ist notwendig, um an die 4 Schrauben zu kommen, die den E-Motor am Zwischenrahmen befestigen. Anders als beim luft-gekühlten späteren Motor, ist hier ein Stahl-Zwischenrahmen verbaut. Der Blick auf den PEB liegt nun frei.

    Der PEB muss nicht vollständig entfernt werden, hier ist ein lockern der Schrauben ausreichen sowie das HV Kabel (links) zum Motor wird entfernt. So lässt sich das PEB leicht verschieben, um an eine Schraube des Motors zu kommen, die hinten links unter dem PEB versteckt liegt.


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    Bevor wir den Motor ausbauen können, müssten die restlichen Verbindungen auf der linken Seite sowie die Antriebswellen "gezogen" werden. Hierfür müssen je Seite die 2 Schrauben zum Stoßdämpfer entfernt werden. Dies schafft genug Spielraum, um die Antriebswellen aus dem Getriebe zu ziehen. Damit die Achse nicht ganz frei in der Luft hängt, habe ich sie mit Draht aufgehängt am Stoßdämpfer.


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    Auf der linken Seite des Motors befinden sich: Bowdenzug für die "Neutral - RW - VW" Steuerung sowie dessen Positionssensor. Zudem muss direkt oberhalb dieses Sensor ein Befestigunngsblech, an dem 2 Kabel geführt werden, gelockert werden. Ansonsten riskiert man diese herauszureißen. Generell befindet sich hier und da eine Kabelklemme. Dies sollte vor dem Ablasen des Motors nochmals kontrolliert werden.


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    Den Motor habe ich mit einem Wagenheber unterstützt, langsam alle 4 Schrauben entfernt und ihn dann abgelassen. Das Auto selbst befand sich auf 2 Böcken. Mit einer Bühne wäre es natürlich leichter. Der Motor wieg etwa 50-60kg, ich schaffe ihn daher nicht ganz alleine.



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    Morgen geht es weiter mit dem Bericht. Aktuell ist der Motor komplett zerlegt und ich warte auf die restlichen neuen Lager. Eine Liste zu allen benötigten Teilen folgt.


    Einen schönen Abend, Gruß Lukas

  • Guten Abend zusammen,


    es freut mich, wenn der Bericht gefällt und vielleicht dem ein oder anderen sogar hilft. Daher weiter gehts!

    Um den Motor zu zerlegen und an die brühmten defekten Lager zu gelangen, lassen wir das Getriebeöl über die untere Ablassschraube (mit Inbus) ab und müssen auf der anderen Seite die Stecker entfernen.


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    Hier wird es kniffelig:

    • Am großen 4.poligen Stecker der Motorwindungen sind 2 Sensorkabel, diese müssen aus dem Stecker ausgecrimpt werden. Alternativ entfernt man nicht die gesamte orangene Buchse sondern nur die 4 Schrauben zu den Motorwindungen und befestige den Stecker (damit die Kabel nicht abreisen) wieder locker am Gehäuse.
    • Weiter gibt es einen 6-poligen (5 Pole belegt) schwarzen Stecker. Hier müssen die 2 roten Kabel ebenfalls ausgecrimpt werden. Hierfür gibt es spezielle Tools mit denen ich schon oft gearbeitet habe, dieser Stecker brachte mich allerdings um den letzten Nerv.... die 2 Pins wollten sich einfach nicht entfernen lassen. An diesen 2 roten Kabel häng der Temperatursensor (NTC 10.000 Ohm bei 20 Grad) der Motorwindungen. Schlussendlich riss mir ein Kabel kurz hinter dem Stecker ab und ich entschied das andere abzuschneiden. Ich habe nun dort 2 Steckerbinder angelötet und kann die Verbindung nun einfach lösen. Möge ich nie wieder die Lager tauschen müssen ;)
      • Die anderen 2 Pole sind der HV Interlock Kreis (unten dazu mehr)
      • Ein Pol ist die Masse/Erde, er geht direkt auf das Gehäuse des Motors
    • Unten ist noch ein weiterer Stecker: Dieser 2 polige ist mit den Schleifringen verbunden, die den Erregerstrom auf den Rotor übertragen, um ihn zu magnetisieren. Der Zoe ist "nicht permanent erregt" = hat keine Dauermagnete verbaut.

    Bevor wir den Motor trennen können, müssen wir genau diese 2 Schleifringe entfernen. Hierfür wir der untere Deckel geöffnet, eine Schutzkappe aus Kunststoff entfernt. Hier fällt einem in der Regel viel Schleifstaub entgehen. Genau dieseser Staub arbeitet sich über die Zeit ins Motorlager. Ich selbst war an dieser Stelle erstaunt:


    • Die Kohlen selbst zeigten so gut wie keine Abnutzung, es ist noch sehr viel "Kohlestift" vorhanden. Der Verschleiß ist hier scheinbar sehr gering
    • Zwischen Schleifringen und Motorlager ist bei diesem Motor eine Dichtung und ein "Labyrinth" verbaut, welches verhindern soll, dass der Staub das Lager erreicht. In diveresen anderen Reparaturberichten, vor allem vom späteren luftgekühlten Motor wird hier geflucht, dass der Schutz zu gering sei und der Staub direkt im Lager landet. Vielleicht wurde hier beim frühen Motor noch mehr darauf geachtet?

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    Im oberen Bereich sieht man das weiße zweiteilige "Kunststoff Labyrinth", welches das Lager vor dem Schleifstaub schützt.


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    Haben wir all diese Kabel, Lager und co entfernt, können wir diese Seite des Motors öffnen und unseren ersten Übeltäter betrachten. Das Gehäuse lässt sich ohne Abzieher oder ähnliches entfernen, da das Lager nicht in den Lagersitzt gepresst ist sondern recht "locker" dort drinn sitzt. Dieses Lager ist auf der Gehäuseseite mit Federscheiben unterfüttert. Dieses Konstrukt sorgt dafür, dass jegliche Wärmeausdehnung des Rotors nicht für Spannungen sorgt sondern lediglich das Lager etwas mehr in die Federscheiben drückt. Clever!


    Im späteren Modell hat genau dieses Lager eine Nut mit einem Gummiring, dies soll für einen besseren Sitz sorgen.


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    Was lesen wir aus diesem Lager (hier schon abgezogen vom Rotor):

    • Gekapselt und einmal-geschmiert bei Herstellung
    • Drehzahl des Zoe Motors bis zu 12.000 Umdrehungen
    • klare Überhitzungserscheinung, Fett ausgetreten, Vermischung mit Schleifstaub der Kohlen
    • Beim Drehen von Hand ist ein leichter Wiederstand zu spüren


    Vielleicht werde ich das Lager einmal öffnen, um Laufbahn zu betrachten. Dieses Lager hat mit Sicherheit Geräusche im Betrieb erzeugt. Bei mir meist ab 30-40 kmh.


    Um das Getriebe zu öffnen, muss der "Gangsensor" gelockert und verdreht werden. Man muss ihn nicht von der Welle entfernen (dies wäre durch austreiben eines Stiftes ebenso möglich, birgt aber die Gefahr von Schäden).

    Man sollte sich die Position markieren. In meinem Fall hatten 2 Schrauben bereits Farbmarkierungen der Produktion. Sonst kann es passieren, dass der Sensor nach dem Einbau neu eingestellt werden muss.


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    Anschließend lässt sich das Gehäuse trennen. Auch dies ist lediglich mit einem Gummihammer möglich. Ich bin es von meinen sonstigen Restaurationen gewohnt, dass Lager sehr fest im Lagersitz sitzen (auch bei Getrieben). Dies ist hier nicht der Fall. Ich vermute auf Grund der besseren Toleranzen in der Produktion?


    Schon liegt die gesamte Pracht vor uns: Untersetzung, Sperrhebel für "Park" Stellung und das (süße) Differenzial


    renaultZoe025.jpg  renaultZoe018.jpgFür



    Meine Diagnose:

    • Öl pechschwarz => hier sieht man dem Öl die Drehzahl an. Ob es jemals gewechselt wurden? Aus den Rechnungen des Checkhefts geht nicht hervor. Ich würde alle 30-50tkm vermutlich wechseln (kostet ja fast nichts, die 600 ml)
    • Die Lager zeigen allesamt Gebrauchspuren, keines der Lager erweckt allerdings einen wirklich verschlissenen Eindruck
    • Das linke Lager des Rotors läuft mit im Getriebeöl! Das ist ein signifikanter Unterschied zum luftgekühlten späteren Motor. Hier sind beide Rotorlager gekapselt und 1x geschmiert ab Werk. Dies erklärt vermutlich die höheren Laufleistungen vor dem Lagerschaden.
    • Zum finalen Zerlegen und Tausch der Lager sind Lagerabzieher und ein "Eigenbau" zum Ausrücken des Rotors notwendig
      • Für mich eine bekannte Sache, die ich bereits für viele Motoren zum Ausdrücken der Kurbelwelle genutzt habe. Daher habe ich immer einige starke Stahlplatten vorrätig


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    Kurze Zeit später liegt der Rotor auch schon vor uns. Zum Schutz beim Ausbau verwende ich primitiv ein Stück Kunststoffflasche und wickle die Schleifring mit Klebeband ein:


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    Jetzt sind mir die Bilder ausgegangen! Die Tage geht es weiter.


    Gruß Lukas